Zum Leben gehört der Tod! In der Theorie ist das jedem klar, aber da man die meiste Zeit eher mit dem Leben als mit dem Tod zu tun hat, ist der Tod kein vordergründiges Ding. Sobald es aber soweit ist, drängt er sich ungefragt einfach ins Leben und man muss irgendwie damit umgehen.
Cliff ist nun tot! Seit dem frühen Sommer 2022 quälte er sich zusätzlich zu einer schweren Arthrose noch mit einer Hufrehe, die dieses mal wirklich sehr schlimm war. Und nachdem es eine ganze Zeit lang auf und ab ging, wurde langfristig klar, dass sich sein Gesundheitszustand immer weiter verschlechterte.
Bitte entschuldigt, dass der erste Beitrag seit langer Zeit mit so einem schweren Thema beginnt. Aber es war ein langer Prozess und er hat viel Zeit beansprucht, sowohl mental als auch vom „Arbeitsaufwand“ her. Die Arbeit mit einem schwerkranken Pferd bekommt man gar nicht so mit, denn selbstverständlich helfen wir unseren Tieren immer so gut wir können! Doch wenn dann ein intensivbetreutes Tier fehlt, fällt ganz plötzlich von jetzt auf gleich die Arbeit weg und erst dann realisiert man, wie viele Stunden täglich so eine Pflege kostet!
Ab Oktober 2022 befasste ich mich intensiver mit dem Thema „einschlafen lassen“, denn irgendwann würde mich Mandy nach meiner Meinung dazu fragen und da wollte ich irgendwie unterstützen können. In einer kleinen Facebook Gruppe mit sehr lieben Mitgliedern gab’s auf dieses Thema dann auch sehr viele unterschiedliche Wortmeldungen und für mich war es interessant zu lesen, wie unterschiedlich die Sichtweise auf den Umgang mit alten „Schmerzpatienten“ sein kann. Während ein Teil der Gruppe eher dazu tendiert, die Pferde möglichst bald zu erlösen, um sie nicht unnötig lang leiden zu lassen, gab es einen anderen Teil, der versucht, über Therapien und Schmerzbehandlungen das Leben mit dem Schmerz möglichst lebenswert für das Pferd zu machen.
Auch mit dem Thema „einschläfern“ wurde unterschiedlich umgegangen. Ein Teil entscheidet den Zeitpunkt aktiv und eher mit dem Kopf, ein anderer Teil wartet auf ein Signal vom Pferd, also quasi auf den Zeitpunkt, dass es sich selbst dafür entscheidet, jetzt einschlafen und nicht mehr aufwachen zu wollen und kürzt diesen Prozess dann evtl. durch die Spritze ab, um unnötig lange Schmerzen zu vermeiden.
In unserem Fall dauerte der Prozess von der „Einsicht“, dass ein einschläfern in Kürze die einzig verbleibende Option sein wird, etwa zwei Wochen. In diesen zwei Wochen kümmerte sich Mandy ganz besonders liebevoll und viele Stunden am Tag um Cliff, versuchte seine Schmerzen zu lindern, es wurde viel gekrault und zusammen gekuschelt, es wurden Unmengen Leckerlis verteilt und so wartete sie also auf ein Zeichen von Cliff. Und dieses Zeichen schien dann auch irgendwann gekommen zu sein, denn wir entschieden uns dazu, ihn an einem Samstag auf seine letzte Reise gehen zu lassen – mit Hilfe eines anderen, als „unseren“ Hoftierarztes, der da gerade im Urlaub war.
Nachdem Cliff dann tot war, hatten wir beide ziemlich heftige Zweifel, ob diese unveränderbare Entscheidung richtig gewesen ist! Unter Tränen fragte Mandy mich, ob das jetzt wirklich das war, was wir wollten. Ich war so geplättet und überfordert mit der Situation, dass ich gar nichts darauf sagen konnte. Ich habe sie dann einfach umarmt. Als der Tierarzt weg und wir ein wenig ruhiger waren, haben wir die Pferde in den Stall gelassen, die von der Aktion absichtlich nichts mitbekamen und da fingen sie an, das tote Pony zu beschnuppern, zu beknabbern und zu betrauern und zwar alle auf unterschiedliche Weise. Interessant dabei war, dass alle 3 unabhängig voneinander an seinem meist schmerzenden Huf geknabbert und geleckt haben. Ob sie wussten, wie groß seine Schmerzen waren?
Zweifel! War das richtig? Dürfen wir so etwas überhaupt entscheiden? Wäre Cliff damit überhaupt einverstanden gewesen, wenn wir mit ihm hätten drüber reden können? Was waren wohl seine letzten Gedanken?
Wahrscheinlich sind wir jetzt in einer Trauerphase und solche Gedanken gehören dazu. Keine Ahnung! Mandy ist jedenfalls ziemlich fertig. Sie vermisst Cliffs brummeln, wenn er das Eingangstor ins Schloss fallen hört und sein fröhliches Gesicht, wenn sie in den leeren Stall schaut. Sie vermisst ihn so arg, dass sie manchmal zu weinen anfängt. Die Pferde kommen dann zu ihr und trösten sie mit ihren weichen warmen Nasen.
Er muss heftige Schmerzen gehabt haben, aber er hatte immer gute Laune, war wach und zuversichtlich. Er hatte Mandy die letzten beiden Tagen auch immer seinen kaputten Huf hingehalten, damit sie irgendwie die Schmerzen weg machen soll. Er hätte wahrscheinlich nie aufgegeben. Er hat bestimmt gehofft, dass wir das wieder hinbekommen, so wie die vielen Male zuvor auch. Aber wir haben es diesmal einfach nicht gepackt!
Wenn man dem „Einschläfern“ in dieser Situation überhaupt etwas positives abgewinnen will, dann dass die Schmerzen definitiv vorbei waren. Sonst sehe ich in diesem Moment nichts brauchbares darin. Vielleicht hatten wir so eine romantisch verklärte Vorstellung davon, dass es Cliff bestimmt gefallen würde, den Schmerz zu beenden. Aber wir haben damit eben auch sein Leben beendet – nicht er aus freien Stücken, oder die Krankheit oder das Schicksal … Nein, das waren wir! Der Kopf sagt, dass es die richtige Entscheidung war, aber der Bauch zweifelt halt.
Ich denke, diese ganzen Zweifel und die Traurigkeit und dieses benebelte, taube Gefühl, das Mandy gerade hat – dieses nicht schlafen können und sich quälen – das sind alles Zeichen dafür, dass sie dieses Pony wirklich abgöttisch geliebt hat. Er war ihr erstes eigenes Pferd, hat jegliche Fehler, die wir gemacht haben, immer erduldet, war immer gut gelaunt und wach und neugierig. Er hat sich mit seinen fast 28 Jahren eigentlich nicht anders verhalten, als ein junges lebensfrohes glückliches Pferd.
Und so bleibt uns eigentlich nichts weiter, als uns bei ihm zu bedanken, denn selbst in diesem letzten Moment hat er uns wieder etwas beigebracht und sogar als er dann tot war, haben wir gelernt, was wir gut gemacht haben und was wir beim nächsten Mal vielleicht besser machen sollten.
Das letzte, was wir tun können, ist ihn nie zu vergessen, ihn für immer zu lieben und für immer dankbar dafür zu sein, dass wir Teil seines Lebens sein durften. Wir haben unendlich viel mehr von diesem kleinen Pony gelernt, als er von uns! Dank ihm leben seine Freunde jetzt an diesem herrlich schönen ruhigen Ort und geniesen jeden Augenblick!
Machs gut Cliffi! 🙁